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Bonhoeffers 8 Thesen über die Jugendarbeit in der Kirche

Dietrich Bonhoeffer schrieb diese Thesen vermutlich für eine Diskussion, welche Ende August 1933 in Berlin stattfand. Später hielt Bonhoeffer einen Vortrag zum Thema „Kirche und Jugend“ am 24.04.1934 im deutschen CVJM in London, wo er auf diese Thesen zurückgriff.

These I

Es hat seit der Jugendbewegung der kirchlichen Jugendarbeit oft die christliche Nüchternheit gefehlt, aus der heraus allein sie gewusst hätte, dass der Geist der Jugend nicht der Heilige Geist, dass die Zukunft der Kirche nicht die Jugend, sondern der Herr Jesus Christus allein ist. Aufgabe der Jugend ist nicht Neugestaltung der Kirche, sondern Hören des Wortes Gottes, Aufgabe der Kirche ist nicht Eroberung der Jugend, sondern Lehre und Verkündigung des Wortes Gottes.1

These II

Unsere Frage ist nicht: Was ist die Jugend und was ist ihr Recht?, sondern was ist die Gemeinde und welcher Ort kommt der Jugend in ihr zu?

These III

Gemeinde sind die der Herrschaft des Todes und des Bösen durch die Herrschaft Gottes entrissenen Menschen auf Erden, die das Wort von der Aufrichtung der Herrschaft Gottes unter den Menschen in Jesus Christus vernehmen und sich um dieses Wort im Glauben gehorsam versammeln. Gemeinde ist die Gegenwart Christi als wahrer Herr und Bruder. In der Gemeinde sein, heißt in Christus sein. In Christus sein heißt, in der Gemeinde sein. Opfer, Fürbitte, Beichte ist das brüderliche Handeln der Gemeinde. Nur in der Gemeinde kann über die Gemeinde geurteilt werden. Es liegt im Wesen der Gemeinde, dass es keine Kritik von außen an ihr gibt.

These IV

Das Generationsproblem ist in der Gemeinde aufgehoben. Die Jugend hat in der Gemeinde kein Vorrecht. Sie soll der Gemeinde dienen, indem sie das Wort hört, lernt und einübt. Gottes Geist in der Kirche hat nichts mit jugendlicher Kritik an der Kirche, die Radikalität des Anspruches Gottes auf den Menschen hat nichts mit jugendlichem Radikalismus, das Gebot der Heiligung nichts mit jugendlichem Weltverbesserertum zu tun. „Christliche Jugend“ ist eine harte und nicht sehr glaubwürdige Zusammenstellung von Worten. Es geht hierbei nicht um Modernes oder Altmodisches, sondern allein um kirchliches Denken.

These V

Die Bibel urteilt über die Jugend sehr nüchtern: Gen 8,21; Jes 3,5; Jer 1,6; Prediger 11,10; 1. Petr 5,5; 2. Tim 2,2 und öfter.

These VI

Kirchliche Jugendarbeit ist möglich allein auf Grund der Anrede des Jugendlichen auf seine Taufe, und mit der alleinigen Absicht, ihn Gottes Wort vernehmen zu lassen. Sie bleibt Handeln der Gemeinde an ihren Gliedern. Jedes Überschreiten dieser Grenze ist Verrat an der Gemeinde Christi.

These VII

Es kann sein, dass die Jugend das Recht des Protestes gegen die Alten hat. Dann wird sich aber die Echtheit solchen Protestes daran erweisen, ob die Jugend sich solidarisch mit der Schuld der Gemeinde weiß und in Liebe die Bürde trägt und selbst in der Busse vor dem Wort Gottes bleibt.

These VIII

Es gibt eigentlich keinen „kirchlichen Verein“. Es gibt nur Kirche. Nicht der kirchliche Jugendverein ist die Jugend der Gemeinde, sondern zu ihr gehören alle getauften Jugendlichen. Jeder kirchliche Verein diskreditiert als solcher schon die Sache der Kirche. Er muss als Notbehelf empfunden werden und behält als solcher relative Bedeutung.


1. Alle Thesen wurden aus Eberhard Bethge (Hrsg.), Dietrich Bonhoeffer, Theologie – Gemeinde, Vorlesungen. Briefe. Gespräche. 1927 bis 1944 in Dietrich Bonhoeffer – Gesammelte Schriften, Dritter Band, München: Chr. Kaiser Verlag, 1960, S. 292f zitiert. Zurück zur Fussnote 1 im Text.



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