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Haben auch die Begleiter des Paulus die Stimme gehört? Widersprechen sich die Berichte in Apostelgeschichte 9,7 und 22,9 nicht?

Problem

In Apostelgeschichte 9,7 heisst es (LUT 84): „Die Männer aber, die seine [Saulus] Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden.“ Aber in Apostelgeschichte 22,9 lesen wir (LUT 84): „Die aber mit mir waren, sahen zwar das Licht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.“ Dies scheint ein absoluter Widerspruch zu sein.

Lösung

Es handelt sich hier aber lediglich um einen begrifflichen Widerspruch, nicht jedoch um einen realen. Denn das Wort „hören“ (griech. akouo) kann im Griechischen – wie auch im Englischen oder Deutschen – unterschiedliche Bedeutungen haben. Es kann bedeuten „eine Stimme hören“ (wie in Apg 9,7) oder auch „den Sinn von etwas Gesagtem verstehen“. Es hat also mit der Wahrnehmung zu tun. Nehme ich lediglich ein Geräusch wahr oder kann ich auch die Worte verstehen. Wenn wir dies beachten, so löst sich der scheinbare Widerspruch auf. Die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ) beachtet in ihrer Übersetzung der beiden Verse diesen Unterschied:

Apostelgeschichte 9,7 (NGÜ): „Die Männer, die mit Saulus reisten, standen sprachlos ´vor Bestürzung` dabei; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand.“

Apostelgeschichte 22,9 (NGÜ): „Meine Begleiter sahen zwar das Licht, verstanden aber nicht, was die Stimme sagte, die mit mir sprach.“

Zusammenfassend können wir die beiden Berichte wie folgt beschreiben: Sie haben zwar ein Licht gesehen und eine Stimme gehört, jedoch sahen sie keine Person und verstanden auch die genauen Worte nicht.

Begründung

  1. Das Wort „hören“ (griech. akouo) kann verschiedenes Bedeuten: „eine Stimme hören, ohne die Worte zu verstehen“, „eine Stimme hören und die Worte verstehen“ und „hören im Sinn von gehorchen“ (vgl. Mt 17,5).
  2. Obwohl die Bedeutung des Wortes „hören“ (griech. akouo) meint, kommt es auch vor, dass es für „verstehen“, d.h. intellektuell auch die Bedeutung und die Zusammen hänge der Worte verstehend, verwendet wird (vgl. 1 Kor 14,2).
  3. Ebenfalls wird auch das Wort „Stimme“ (griech. phona) in Apostelgeschichte 9,7 (griech. phonas, Genitiv) in einer anderen Form verwendet als in Apostelgeschichte 22,9 (griech. phonan, Akkusativ). Dies könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass im jeweiligen Kontext das Wort auch in einem anderen Sinn verwendet wird. Da die grundlegende Bedeutung des Genitivs ist, Qualität zu betonen (genitivus qualitatis), kann hier gemeint sein, dass die zwar die Stimme hörten, die Qualität jedoch derart schlecht war, dass sie nicht verstehen konnten, was gesagt wurde.


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