Ressourcenbibliothek

Interview «Pastor werden»

Dieses Interview wurde am 15.08.2019 per E-Mail von der STH Basel durchgeführt und online auf www.sthbasel.ch und auch auf www.livenet.ch publiziert.

Kurze Vorstellung

Ramun Badertscher hat nach seinem Master-Abschluss 2017 und einem Kandidatenjahr in der FEG Aarau die Stelle als Pastor in der FEG Wilchingen angetreten. Er ist verheiratet mit Susanne. Gemeinsam haben sie einen Sohn, Usia.

Was hat dich dazu bewegt, Pastor zu werden?

Die Leidenschaft mit Gott und den Menschen im Leben unterwegs zu sein, war schon früh da. Besonders in der Jungschar lernte ich das sehr schätzen. Als Leiter durfte ich Andachten halten und mit den Kindern über den Glauben und ihr Leben sprechen. Das war eine sehr schöne Aufgabe, die mir gefiel. Später im Gymnasium durfte ich einen Bibelgruppe gründen und leiten. Auch hier erlebte ich, wie Gott mich in den Dienst nahm und gebrauchte. Damals hatten einige Schulkollegen gespottet, ich wäre doch ein guter Pastor.

Nach der obligatorischen Rekrutenschule (Militär) wollte ich aber eigentlich Raumplanung studieren, da ich mich (noch) nicht als Pastor vorstellen konnte, doch ich fand keine geeignete Praktikumsstelle, die ich für das Studium benötigte. Nach einiger Zeit, einigen Überlegungen und Gebete zu meiner Zukunft, hat Gott in mir den Wunsch geweckt, sein Wort, die Bibel, besser kennen zu lernen und mich für den vollzeitlichen Dienst ausbilden zu lassen. Kurz: Gott ging mit mir einen längeren Weg bis hin zum Entscheid für das Theologiestudium und den Dienst als Pastor.

Wie sieht dein Alltag als Pastor aus?

Der Alltag als Pastor ist nie gleich. Jede Woche gestaltet sich anders. Klar, es gibt Elemente, wie zum Beispiel Predigtvorbereitung, Gottesdienste, Bibelabende, Seniorennachmittage, Biblischer Unterricht und Lesen/Weiterbilden die sind immer gleich. Doch dann gibt es diverse Sitzungen, Besuche, seelsorgerliche Gespräche, die Kasualien (Kindersegnungen, Erwachsenentaufe, Hochzeiten und Todesfälle) und andere ausserordentliche Anlässe, die den Pastorenalltag zusätzlich beleben. Hinzu kommen Gedanken über die Nachwuchsförderung und Leiterschaft, die Jahresplanung und die ständige Auseinandersetzung mit der Vision der Gemeinde und deren Umsetzung im Gemeindealltag. Es wird also nie langweilig und ist sehr abwechslungsreich.

Was sind die Herausforderungen als Pastor?

Als Pastoren leben wir stets in verschiedenen Spannungsfeldern. Zum Beispiel das Spannungsfeld Familie und Beruf, wo es täglich eine Herausforderung ist, zwar für die Gemeinde da zu sein, doch dabei seine eigene Familie nicht zu vernachlässigen. Denn wir arbeiten oft mit berufstätigen Ehrenamtlichen, mit denen man Sitzungen ausserhalb der eigentlichen Bürozeiten machen muss, sprich häufig am Abend. Da fehlt man dann halt wieder in der Familie. Hier gilt es eine gute Balance zu finden.

Ein weiteres Beispiel wäre die Spannung zwischen Erwartungen und Möglichkeiten. Als Pastor begegnet man im Alltag vielen Erwartungen, die die Menschen an die eigene Persönlichkeit, an die Gemeinde oder an Gott haben. Doch als Mensch bin ich beschränkt. Ich kann nicht gleichzeitig bei allen sein und ich kann nicht alles tun, was sich die Menschen wünschen. Damit muss ich leben können. Ich mache, was möglich ist, doch ich bin auch froh, darf ich vieles im Gebet Gott anvertrauen, im Wissen, dass er alles kann und es, wenn ER es für richtig empfindet, auch schenkt.

Als letztes Beispiel möchte ich noch die Spannung zwischen Jung und Alt nennen. Diese Spannungen sind nicht nur im Lobpreis zu finden, sondern quer über alle Angebote der Gemeinde hinweg. Fortschritt versus Tradition. Hier gilt es stets ein gutes Mass zu finden, Gespräche mit beiden Seiten zu führen und trotzdem sich nicht von der einen oder anderen Seite vereinnahmen zu lassen. Mein Wunsch und Ziel ist es stets, das grosse Ganze im Blick zu halten und allen Generationen aufzuzeigen, was für unsere Zeit heute zielführend wäre.

Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen?

Als Pastor sollte man meiner Meinung nach Gott von ganzem Herzen lieben. Denn ohne die Beziehung zu ihm führt diese Aufgabe zum Zerbruch. Neben dieser Hauptvoraussetzung sind sicher organisatorische und didaktische Fähigkeiten wichtig. Da unsere Arbeit aber mit Menschen und der Beziehung zu ihnen zu tun hat, sind auch zwischenmenschliche Eigenschaften, wie zum Beispiel Empathie und gutes Zuhören sehr wichtig.

Was gefällt dir besonders an deinem Beruf?

Ich darf mich vollzeitlich dem Wort Gottes widmen, es studieren und verkünden. Erleben, wie Menschen dadurch mit Gott in Berührung kommen und Veränderungen in ihrem Leben erfahren. Jeder der schon mal miterlebt hat, wie ein Mensch sein Leben Jesus Christus anvertraut hat, weiss wie schön solche Momente sind. Als Pastoren sind wir bei den ganz besonderen Momenten im Leben hautnah mit dabei (Kindersegnung nach der Geburt eines Kindes, Hochzeit oder auch bei Sterbenden). Für mich ein besonders Privileg.

Braucht man als Pastor eine Berufung?

Ich bin davon überzeugt, dass Pastoren, die ein „Berufungserlebnis“ haben, sich von herausfordernden Situationen nicht so schnell aus der Berufsbahn werfen lassen. Eine „Berufung“ würde ich wie mit einem Anker vergleichen, an dem man im Sturm festhalten kann. Wenn ich weiss, dass Gott mich in diese Aufgabe gestellt hat, dann gehe ich folgerichtig auch davon aus, dass er mich in dieser Aufgabe durchträgt. Ich sehe es als Vorteil, aber nicht als Bedingung.

Wie lange bleibt man als Pastor in einer Gemeinde?

In der FEG Schweiz gibt es keine Regel diesbezüglich. Es gibt das ungeschriebene Gesetz, dass man sich so nach sieben bis zehn Jahren mal fragen sollte, ob man in dieser Gemeinde bleiben möchte oder ob ein Wechsel sinnvoll erscheint.

Was ist aus deiner Sicht die ideale Gemeinde für einen Pastor?

Jede Gemeinde ist einzigartig – ich würde sagen eine Person, mit ihren Stärken und Schwächen. Daher gibt es keine ideale Gemeinde für einen Pastor, weil jeder Pastor eben auch wieder individuell ist. Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, dass ein Pastor und eine Gemeinde sich im Bewerbungsprozess gut kennen lernen und erst danach entscheiden, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll ist.

Natürlich wünsche ich jedem Pastor eine Gemeinde, die ihn wohlwollend aufnimmt und in seinem Dienst für Jesus Christus unterstützt. D.h. unter anderem auch, dass die Gemeinde das Wort Gottes in seiner Schönheit, aber auch in seiner Härte und Klarheit, hören möchte. Denn dort, wo das Wort Gottes reichlich wohnen darf (vgl. Kolosser 3,16), dort ist auch der Segen Gottes verheissen. Das wäre eine ideale Gemeinde für einen Pastor.

Wie sind die Zukunftsaussichten des Berufs?

Als Pastor darf und solle man sich weiterbilden und sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen. Es gibt Berufkollegen, die sich in verschiedenen Gebieten weitergebildet haben. So zum Beispiel im Bereich Seelsorge, Psychologie oder auch Organisationsentwicklung bis hin zu Management.

Es gibt nicht direkte Aufstiegsmöglichkeiten, im Sinne von Karriere machen, doch sehr viele Möglichkeiten sich zu spezialisieren.

Der Beruf des Pastors hat auch Zukunft. Jesus setze Leiter ein, die seine Herde hier auf der Erde leiten sollen. Es wird ihn solange geben, wie es auch die christliche Gemeinde gibt und das ist bis zur Wiederkunft Jesu.



© 2024 RamunBadertscher.ch - Alle Rechte vorbehalten.